Ein offener Brief

Oktober 15, 2008

Es empfinde es als eine Kunst, Dinge in einfachen Worten zu beschreiben die komplizierter sind als es auf den ersten Blick den Anschein zu haben scheint. Ich will versuchen einen Zustand oder eine Form des Lebens zu beschreiben, an welchem ich jeden Tag Teil habe. Da sich dieser Vergleich aufdrängt, will ich es tun wie die Band „The WHO“, die einst von ihrer Generation gesungen hat. Meine Generation ist in vielen, ja fast schon halbgaren Worten beschrieben worden. Die Generation Praktikum, die Spassgesellschaft und sogar eine Generation von Duckmäusern. All dies mag sicherlich eine Gruppe von Menschen in Teilen klassifizieren, doch ist es das „Amalgamat“ aus diesen Begriffen, welches sie so treffend beschreibt. Wenn ich von meiner Generation spreche so tue ich dies mit dem vollen Bewusstsein, dass ich sowohl Teil der Lösung als auch ihres Problems bin. Es lässt sich nicht wegwischen, da ich mich nicht aus Ihnen herauskristallisiere. Ich bin vielmehr ein Teilchen, welches sich seines Platzes in diesem seltsamen Gefüge bewusst zu sein scheint. Ich beobachte bei den Menschen meines Alters, dass eine Tendenz zum Niedergang zu beobachten ist. Es ist kein Niedergang im SInne eines gesellschaftlichen Gefüges. Es ist vielmehr ein Niedergang in Form von Selbstwahrnehmung und Willen zur Selbstwerdung. Unsicherheit, Angst vor der Zukunft! Der Wille zum Aufbegehren und die Wahrnehmung ein Teil von etwas Ganzen zu sein, werden zunehmend geringer und pervertieren in manchen Bereichen sogar. Warum ist es so, dass sich Menschen die wissen das ihnen die Zukunft gehören kann, sich zunehmend mit allem was sie tun anfeinden? Wieso sind viele junge Menschen, die alles haben was sich lohnt zu haben so unsicher und traurig? Ich will versuchen meinen Standpunkt zu verdeutlichen um zu einer Erkenntnis zu gelangen.
Ich beobachte das viele Junge Menschen sich in ihr Leben finden. Sie kommen aus der Schule und erfahren was man gerne den „Ernst des Lebens“ nennt. Sie suchen sich Perspektiven und greifen in vielen Fällen sehr gezielt danach. Sie stecken Niederlagen ein, feiern Erfolge und führen ihre Existenz zu einem Punkt der ihnen gut erscheint. Doch trotzdem scheinen sich viele von ihnen einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit nicht erwehren zu können. Sie driften um sich selbst, um das was sie in ihrerer Existenz einzigartig macht und scheinen trotz allem keine Erfüllung in dem was sie tun zu finden, obwohl es das ist was sie tun wollen. Sie driften durch ihr Leben und hinterfragen die Gründe ihres Unwohlseins nur selten. Sie finden sich vielmehr damit ab, dass gewisse Umstände sie prägen, aber verpassen es diese Umstände zu ändern. Trotz eines vielfach gesicherten Lebens sind sie unzufrieden mit sich selbst. Sie kritisieren sich selbst in einem hohen Maße und schaffen sich Ventile um überhaupt existieren zu können. Was nicht zum eigenen Bild passt wird ausgeblendet, was nicht funktioniert wird hingenommen. Anstatt sich aktiv zu beteiligen oder nach Wegen aus der emotionalen Krise zu suchen, findet eine Art Übergang in die eigene Stasis statt. Das Interesse am Geschehen, über den eigenen Horizont hinaus, gerät zunehmend ins Hintertreffen. Narzissmus und ein fehlendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Ambitionen ist die Folge. Statt sich mit den Umständen zu befassen, blendet man aus das sie existieren. Man nimmt alles wie es kommt, vermag es nicht aufzubegehren. Die äußeren Umstände führen zu einer Zerrüttung des Selbst.
Es entstehen Ventile, die zu großen Teilen meist nicht gesund sind. Der Drang sich zu betäuben und sich abzulenken ist ungeheuer stark. Nur den heutigen Tag überstehen, um am Wochenende auf einer Feier das eigene Selbst durch Alkohohl, Drogen und flüchtige Bekanntschaften zu betäuben. Es ist als ob man sich auf die Suche nach Abenteuern begibt, obwohl man genau weiß wie es enden wird. Der Glanz der neuen Erfahrung und das Bedürfniss nach Veränderung verliert sich in immer gleichen Exzessen. Die Erfahrung wird schal und leer. Man findet sich nicht mehr wieder im eigenen Leben und Frust baut sich auf. Es geht zunehmend nur noch um den kurzen Kick der eigenen Selbsterfahrung und den kurzen Moment der Wahrheit. Kaum jemand ist noch glücklich, da er oder sie nicht weiss wohin mit sich selbst. Die Stasis komplettiert sich. Die Umwelt und das Zeitgeschehen werden ausgeblendet. Man hat mit seiner eigenen Unzufriedenheit so viel zu tun, dass für den Rest kein Platz ist. Sich auseinandersetzen ist anstrengend, ja schon fast schmerzhaft, weil man unweigerlich immer bei sich selbst landet. Die Spirale dreht sich weiter und treibt Ihre Blüten. Deppresionen, Desillusionierung, Schlankheitswahn, übermäßiger Drogenkonsum, Alkoholismus, gestörtes Sozialverhalten, soziale Isolierung und so weiter.
Es ist als ob die äußeren Umstände die Menschen dazu zwingen sich mehr und mehr in sich zu flüchten. Da sie aber dort nichts haben was sie hällt, gelangen sie nicht weiter und sind trotz materiellem Überfluss unglücklich. Sie haben nicht das Bedürfniss zu hinterfragen. Wenn sie es tun dann nur sich selbst und ihr eigenes „Unvermögen“. Übersteigerter Individualsimus ist die Folge, der helfen soll das eigene Selbst zu stärken. Dies endet aber meistens in der Falle die sich „Trend“ oder „Subkultur“ nennt. Aufgrund der Tatsache das man den eigenen Individualismus überhöht und somit fasst pervertiert, kommt man nie bei ihm an und wird ein Klon. Ein Klon all der anderen die dasselbe tun. Trost findet sich in eben diesen Gruppen und bei Leuten die sich ebenso fühlen. Was auf der Strecke bleibt ist der Wille zur Veränderung der äußeren Umstände und der Wille sich ohne Furcht seinem Ich zu stellen, ohne gleich alles zu hinterfragen.
Ich empfinde dies so und es betrübt mich. In vielen Teilen bin ich eben diesen Prozessen ebenso erlegen wie die Menschen dich ich beschreibe und stelle meine These, oder besser Empfindung, hier zur Debatte. Es mag sein das ich viele Dinge einfach zu schwarz sehe und das vieles was ich beschreibe sich nur auf meine selektive Beobachtung stützt. Doch eben dies ist der Grund dieses „offenen Briefs“. Es ist nicht „alles verloren“ und ich will mitnichten all die angreifen die sich hier wiederfinden. Doch frage ich mich ob es uns weiterbringt nicht darüber zu sprechen.